Der Geist des Weines
von Astrid Zahn
Im Keller war es feucht und kalt. Gregorius starrte auf
das leere Pergament, welches auf dem Weinfass vor ihm lag. Wie gelang es ihm
die richtigen Worte zu finden?
Im Kerzenschein wirkte der Ort mystisch. Kisten mit leeren
und vollen Weinflaschen stapelten sich ringsherum an der Klostermauer und
warfen Schatten die bedrohlich wirkten.
Das Tintenfass und den Federkiel hatte er sich vom Prior
stibitzt. Wenn dieser Morgen erwachte, würde wieder alles an seinem Platz
stehen. Gregorius stützte seinen Kopf in die Hände und schloss die Augen. Seine
Gedanken kreisten immer wieder um die eine Sache. Wie konnte er die
Aufmerksamkeit des Abtes auf sich lenken? Drei Jahre hatte er heimlich an dem
Werk gefeilt, nächtelang im Keller verweilt und die Schrift entwickelt. Er war
sich sicher, das würde dem Kloster zu Ruhm und Ehre verhelfen. Bislang hatte er
sich liebevoll um die Heilpflanzen gekümmert. Der Abt war zufrieden mit ihm.
Dass er heimlich ein wissenschaftliches Buch entwickelte, davon konnte niemand
etwas ahnen. Zuvor hatte er dem Prior seine Idee unterbreitet, doch dieser
wollte nichts davon wissen.
„Ein Buch über Heilkräuter brauchen wir nicht. Es reicht
wenn wir unser Wissen haben und behalten, das geben wir nur mündlich unter
unseres Gleichen weiter.“
Gregorius fasste neuen Mut. Ich schreibe es so, wie ich es
sagen würde, beschloss er und tauchte entschlossen die Feder in die Tinte.
„Mein Herr Johannes V. Augustinus. Euer gefälligster
Diener, bietet Euch, zu Eurem Wohle und dem Wohle des Volkes, ein Buch der
bekanntesten Heilkräuter und deren Wirksamkeit. Ihr werdet darin für jegliches
Unbehagen, Krankheit und Seelenschmerz ein Kräutlein finden. Ich habe
wissenschaftliche Experimente gemacht und diese niedergeschrieben. Unser
Kloster wird in aller Munde sein und Ihr werdet großes Ansehen erlangen. Entschuldigt
die außergewöhnliche Art, wie Ihr diese Botschaft erhaltet, aber mir war es
anders nicht möglich.
Der Prior wollte es verhindern.
Ich bitte um Gnade und Verständnis.
Euer treuer Diener und Untertan
Gregorius der Gärtner.“
Nach mehrmaligem Durchlesen, rollte Gregorius das
Pergament zusammen, band etwas Sisal darum und steckte es in eine leere
Weinflasche. So würde es gelingen. Er musste nur dafür Sorge tragen, dass diese
Flasche ihren Weg zu den Gemächern des Abtes fand. Mit wenigen Handgriffen
klemmte er sich die Flasche unter seinen Habit, nahm Tintenfass und Federkiel
an sich und machte sich auf den Weg.
Anna-Lena, versunken in der historischen Welt des Mönchs
Gregorius, nippte an ihrem Glas Rotwein und dachte über das Gelesene nach. „Gar
nicht so dumm diese Idee“, murmelte sie beseelt. „Was hast du gesagt?“ Jonas,
der schon seit Stunden am Computer hing, drehte sich zu ihr um. „Ich lese
gerade in einem historischen Roman über ein Kloster. Die Hauptfigur ist ein
Mönch, der den Garten bewirtschaftet und heimlich ein Buch geschrieben hat.“
„Schön, und?“ Anna–Lena grinste ihren Mann an. „Der will, dass dieses Buch dem
Abt zugespielt wird denn der Prior hatte es abgelehnt.“ „Okay, aber was hast du
vorhin gemurmelt?“ „Die Art und Weise wie er das bewerkstelligen will, hat mich
gerade auf eine Idee gebracht. Ich sagte, dass diese Idee gar nicht so dumm
ist. Wie lange bist du jetzt dran dein Buch bekannter zu machen? Bestimmt schon
ein ganzes Jahr. Die vielen Werbeaktionen in den sozialen Netzwerken jeden Tag,
Klinken putzen bei örtlichen Buchhändlern und deine Visitenkarten überall
ausgelegt. Was hat es dir bisher eingebracht? In zwölf Monaten achtzehn Bücher
verkauft. So kommst du nie auf einen goldenen Ast.“ Jonas nickte. „Du hast
Recht. Aber sieh ´mal: Selfpublisher gibt es inzwischen haufenweise. Die
Konkurrenz ist viel zu groß. Ich bin froh, dass ich mir das Lektorat geleistet
habe, sonst hätte ich noch nicht einmal die achtzehn verkauft.“ Anna-Lena
schmunzelte. „Dieser Gregorius will dem Abt sein Buch in einer Weinflasche, so
wie eine Flaschenpost, unterjubeln. Da habe ich überlegt, ob man das auch mit
einem Verlag machen könnte?“ „Hahaha, wie soll das gehen? Ich glaube kaum, dass
ein Verlag Flaschen entgegen nimmt“, antwortete Jonas kichernd. „Wieso denn
nicht? Das kommt ganz darauf an, wer Verleger ist und was der für Vorlieben
hat. Überlege ´mal: Bald ist Weihnachten, da werden doch Werbegeschenke
verteilt. Wir könnten eine gute Flasche Rotwein leeren, sie reinigen und dann
legst du dein Exposé hinein. Wir kundschaften aus, welcher Verlag für dein
Genre in Frage kommt und dann schicken wir das Geschenk, zu persönlichen
Händen, an den Verleger.“ „Tja und wenn der das Exposé nicht für gut befindet,
landet es trotzdem im Papierkorb. Genau wie tausend andere“, muffelte Jonas.
„Du hast es doch gar nicht ausprobiert. Diejenigen, die dein Buch gelesen
haben, fanden es klasse“, sagte Anna-Lena und setzte sich auf Jonas´ Schoß. „Du
musst an dich glauben und einen Versuch ist es wert“, schnurrte sie und drückte
einen Kuss auf seine Lippen. „Ich übernehme auch die Recherche.
Unkonventionelle Werbung eben. Der ganze Rummel im Internet bringt nichts. Das
Einzige, was mir noch einfällt, wäre ein Video-Content. Das müsste aber auch
professionell und originell gemacht werden. Nein, ich glaube an neue, alte
Wege. Dieser Gregorius gefällt mir. Ich werde jetzt weiter lesen, ob er sein
Ziel erreicht.“ Jonas schubste Anna-Lena zärtlich von sich herunter. „Wenn du
meinst?! Ich mache jetzt Schluss für heute und denke darüber nach“, sagte er
und schüttete sich ebenfalls ein Glas Wein ein.
sehr schön :-)))
AntwortenLöschenviele liebe Grüße an dich!