Montag, 8. August 2016

Zwischendurch eine Kurzgeschichte in drei Teilen

Teil 1


Der Geist des Weines
von Astrid Zahn

Im Keller war es feucht und kalt. Gregorius starrte auf das leere Pergament, welches auf dem Weinfass vor ihm lag. Wie gelang es ihm die richtigen Worte zu finden?
Im Kerzenschein wirkte der Ort mystisch. Kisten mit leeren und vollen Weinflaschen stapelten sich ringsherum an der Klostermauer und warfen Schatten die bedrohlich wirkten.
Das Tintenfass und den Federkiel hatte er sich vom Prior stibitzt. Wenn dieser Morgen erwachte, würde wieder alles an seinem Platz stehen. Gregorius stützte seinen Kopf in die Hände und schloss die Augen. Seine Gedanken kreisten immer wieder um die eine Sache. Wie konnte er die Aufmerksamkeit des Abtes auf sich lenken? Drei Jahre hatte er heimlich an dem Werk gefeilt, nächtelang im Keller verweilt und die Schrift entwickelt. Er war sich sicher, das würde dem Kloster zu Ruhm und Ehre verhelfen. Bislang hatte er sich liebevoll um die Heilpflanzen gekümmert. Der Abt war zufrieden mit ihm. Dass er heimlich ein wissenschaftliches Buch entwickelte, davon konnte niemand etwas ahnen. Zuvor hatte er dem Prior seine Idee unterbreitet, doch dieser wollte nichts davon wissen.
„Ein Buch über Heilkräuter brauchen wir nicht. Es reicht wenn wir unser Wissen haben und behalten, das geben wir nur mündlich unter unseres Gleichen weiter.“
Gregorius fasste neuen Mut. Ich schreibe es so, wie ich es sagen würde, beschloss er und tauchte entschlossen die Feder in die Tinte.
„Mein Herr Johannes V. Augustinus. Euer gefälligster Diener, bietet Euch, zu Eurem Wohle und dem Wohle des Volkes, ein Buch der bekanntesten Heilkräuter und deren Wirksamkeit. Ihr werdet darin für jegliches Unbehagen, Krankheit und Seelenschmerz ein Kräutlein finden. Ich habe wissenschaftliche Experimente gemacht und diese niedergeschrieben. Unser Kloster wird in aller Munde sein und Ihr werdet großes Ansehen erlangen. Entschuldigt die außergewöhnliche Art, wie Ihr diese Botschaft erhaltet, aber mir war es anders nicht möglich.
Der Prior wollte es verhindern.
Ich bitte um Gnade und Verständnis.
Euer treuer Diener und Untertan
Gregorius der Gärtner.“

Nach mehrmaligem Durchlesen, rollte Gregorius das Pergament zusammen, band etwas Sisal darum und steckte es in eine leere Weinflasche. So würde es gelingen. Er musste nur dafür Sorge tragen, dass diese Flasche ihren Weg zu den Gemächern des Abtes fand. Mit wenigen Handgriffen klemmte er sich die Flasche unter seinen Habit, nahm Tintenfass und Federkiel an sich und machte sich auf den Weg.


Anna-Lena, versunken in der historischen Welt des Mönchs Gregorius, nippte an ihrem Glas Rotwein und dachte über das Gelesene nach. „Gar nicht so dumm diese Idee“, murmelte sie beseelt. „Was hast du gesagt?“ Jonas, der schon seit Stunden am Computer hing, drehte sich zu ihr um. „Ich lese gerade in einem historischen Roman über ein Kloster. Die Hauptfigur ist ein Mönch, der den Garten bewirtschaftet und heimlich ein Buch geschrieben hat.“ „Schön, und?“ Anna–Lena grinste ihren Mann an. „Der will, dass dieses Buch dem Abt zugespielt wird denn der Prior hatte es abgelehnt.“ „Okay, aber was hast du vorhin gemurmelt?“ „Die Art und Weise wie er das bewerkstelligen will, hat mich gerade auf eine Idee gebracht. Ich sagte, dass diese Idee gar nicht so dumm ist. Wie lange bist du jetzt dran dein Buch bekannter zu machen? Bestimmt schon ein ganzes Jahr. Die vielen Werbeaktionen in den sozialen Netzwerken jeden Tag, Klinken putzen bei örtlichen Buchhändlern und deine Visitenkarten überall ausgelegt. Was hat es dir bisher eingebracht? In zwölf Monaten achtzehn Bücher verkauft. So kommst du nie auf einen goldenen Ast.“ Jonas nickte. „Du hast Recht. Aber sieh ´mal: Selfpublisher gibt es inzwischen haufenweise. Die Konkurrenz ist viel zu groß. Ich bin froh, dass ich mir das Lektorat geleistet habe, sonst hätte ich noch nicht einmal die achtzehn verkauft.“ Anna-Lena schmunzelte. „Dieser Gregorius will dem Abt sein Buch in einer Weinflasche, so wie eine Flaschenpost, unterjubeln. Da habe ich überlegt, ob man das auch mit einem Verlag machen könnte?“ „Hahaha, wie soll das gehen? Ich glaube kaum, dass ein Verlag Flaschen entgegen nimmt“, antwortete Jonas kichernd. „Wieso denn nicht? Das kommt ganz darauf an, wer Verleger ist und was der für Vorlieben hat. Überlege ´mal: Bald ist Weihnachten, da werden doch Werbegeschenke verteilt. Wir könnten eine gute Flasche Rotwein leeren, sie reinigen und dann legst du dein Exposé hinein. Wir kundschaften aus, welcher Verlag für dein Genre in Frage kommt und dann schicken wir das Geschenk, zu persönlichen Händen, an den Verleger.“ „Tja und wenn der das Exposé nicht für gut befindet, landet es trotzdem im Papierkorb. Genau wie tausend andere“, muffelte Jonas. „Du hast es doch gar nicht ausprobiert. Diejenigen, die dein Buch gelesen haben, fanden es klasse“, sagte Anna-Lena und setzte sich auf Jonas´ Schoß. „Du musst an dich glauben und einen Versuch ist es wert“, schnurrte sie und drückte einen Kuss auf seine Lippen. „Ich übernehme auch die Recherche. Unkonventionelle Werbung eben. Der ganze Rummel im Internet bringt nichts. Das Einzige, was mir noch einfällt, wäre ein Video-Content. Das müsste aber auch professionell und originell gemacht werden. Nein, ich glaube an neue, alte Wege. Dieser Gregorius gefällt mir. Ich werde jetzt weiter lesen, ob er sein Ziel erreicht.“ Jonas schubste Anna-Lena zärtlich von sich herunter. „Wenn du meinst?! Ich mache jetzt Schluss für heute und denke darüber nach“, sagte er und schüttete sich ebenfalls ein Glas Wein ein.

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