Mittwoch, 12. Juni 2013

Erinnerungen zum Schmunzeln


Das italienische Pony

Nach der Geburt meines zweiten Sohnes, war meine Figur endgültig hinüber. Vermatscht, wie man so schön sagt. Völlig aus der Form. Hinzu kam der ständige Schlafentzug, der mich so mitnahm, dass ich nur das Nötigste an meinem Äußeren restaurierte. Genau zu diesem Zeitpunkt zog über uns ein Bild von einem  Mann ein.
„Hallo, ich bin Stefano Ramelotti, Sie kennen mich sicher, ich habe die Pizzeria in der Stadt“, sagte er mit leichtem, italienischen  Akzent. Klar kannte ich ihn. Alle kannten den bildhübschen Macho mit den braunen Locken, den dunklen Augen und der sportlichen Figur. „Auf gute Nachbarschaft!“ Er überreichte mir eine Flasche Rotwein (von seinem eigenen Weingut in der Toskana, wie ich später erfuhr). Ich bedankte mich mit weichen Knien und ein leichter Schauer lief mir über den Rücken. Sein erotisches Lächeln brachte mich völlig aus dem Konzept. Stopp… ich war ja verheiratet und hatte gerade meinen  Sohn geboren! Er verließ das Haus und kurz danach hörte ich, wie er mit seinem Ferrari davonbrauste. Ja tatsächlich ein Ferrari. Zu seinem Fuhrpark gehörten, außer dem springenden Pferd,  noch zwei oder drei andere italienische Luxuskarossen. Ich sah in den Dielenspiegel, betrachtete mein bespucktes T-Shirt und bewunderte die sexy Jogginghose mit Spinatflecken. Meine Haare hätten mal wieder eine Wäsche vertragen können und mein Teint ähnelte einem verschrumpeltem Pfirsich. Jepp, das war‘s ja wohl mit erotischen Phantasien.
Warum wohnte so ein Typ in einer Mietwohnung? Es musste einen Grund geben! Einige Wochen später hatte ich das ultimative Aha-Erlebnis: Er schätzte die Anonymität und unsere Diskretion. Dafür stand, einmal die Woche, eine Flasche Rotwein oder ein Panettone-Kuchen vor der Tür.
Anfangs glaubte ich, er führe Bewerbungsgespräche. In seiner Pizzeria bedienten ausnahmslos junge Mädchen, die auch als Model eine Anstellung gefunden hätten. Wenn ich allerdings im Hausflur stand, konnte ich von der oberen Etage rhythmisches Klopfen, sowie lustvolles Gestöhne vernehmen. Fünf Damen pro Tag, mal mehr, mal weniger, galoppierten die Treppe hinauf. Ich verfolgte die Herde mit wachsendem Interesse, da ich so etwas nur aus der Promi-Presse kannte. 
Mein Alltag war wieder interessant! Windeln wechseln und Hausarbeiten wurden zur Nebensache. Der italienische Hengst deckte jede Stute, die antrabte. Vorsichtshalber legte ich Kühlkompressen in den Gefrierschrank, falls der Hengst mal eine Abkühlung benötigte. Eines Tages klopfte es an der Wohnungstür und ich dachte, es wäre soweit. Ich öffnete und vor mir stand, nur in Herzchen-Boxershorts bekleidet, der göttliche Stefano. Verlegen trat er auf der Stelle und stammelte: „Hallo Karin, ich wollte die Blumen im Hausflur gießen, da ist mir die Tür zugefallen. Mein Bruder hat einen Schlüssel, kann ich kurz bei dir telefonieren?“ Blumen gießen in Unterhosen! Pause für den Deckhengst, dachte ich. Leicht fröstelnd stand der Macho kleinlaut vor mir. Da ich Mitleid hatte und sehr daran interessiert war, ihn näher zu betrachten, bat ich ihn herein und gab ihm das Telefon.
Während er sprach, nutzte ich die Gelegenheit, in Ruhe seinen Körper zu studieren. Wie oft hatte ich mich gefragt, was an ihm so toll war, dass jedes weibliche Wesen auf ihn abfuhr. Ich sah einen durchtrainierten, muskulösen Körper, reichlich behaart, die Vorderseite zierte ein Sixpack und weiter tiefer? Trotz Brille sah ich Nix, außer gähnender Leere! Zumindest, was ich erahnen konnte. Ich musste mich zusammenreißen, als Stefano das Telefonat beendete, sich ein Sofakissen schnappte und es vor sein Nichts hielt. „Mein Bruder ist auf dem Weg“, stotterte er. Der große Macho benahm sich wie ein kleiner Junge! „Kein Problem, möchtest du einen Eisbeutel, eh, ich meine, etwas trinken?“ Da saß er nun, der italienische Hengst, der zum Pony mutiert war. Klein, hilflos und fast nackt. Was für ein Anblick! Eine halbe Stunde später kam der Bruder und Stefano floh regelrecht aus meinem Blickfeld. Nach ein paar Wochen zog er aus. Eine der Stuten hatte eine tolle Überraschung für Stefano: Ein Fohlen war unterwegs.
Zwölf Monate später: In Begleitung einer Frau und einem Kinderwagen begegnete er mir in der Stadt. Fast kahlköpfig, mit Bauchansatz und einem bespuckten Hemd! Ja, die Zeiten haben sich geändert. Der Weg vom wilden Hengst zum braven Familienvater kann kürzer sein, als man denkt. Mir blieb die Genugtuung, dass ein Kind alles verändert, sogar das eigene Aussehen! Inzwischen schläft mein Sohn durch und ich habe mein Äußeres in Form gebracht. Mein Mann findet mich sehr attraktiv. Und Stefano? Der hat versucht mit mir zu flirten. Schade! Ungepflegte, italienische Ponys passen nicht in mein Beuteschema. ©AZ

7 Kommentare:

  1. :D Nett, nett, die Wendung war super :D hat mir sehr gut gefallen!
    Ich dachte zuerst ohje so ein langer Text aber ich konnt mich echt gut hineinversetzen xD Daumen hoch <3
    Lg da Tina

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    1. Schön, dass du´s gut findest. Die Geschichte habe ich schon vor zwei Jahren geschrieben und gestern ist sie mir in die Hände gefallen. Einmal aufpoliert und fertig ist ein Mittwochsschmunzler. Danke für den Kommentar und LG zurück :)

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  2. loll* :D

    sehr schön und unterhaltsam geschrieben
    und ich konnte es so gut nachvollziehen (also nicht das Pony *lach* sondern dein Spinat-Shirt )
    eine rundum gelungene Geschichte
    Vielen Dank für dieses Schmankerl <3

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    1. Vielen Dank, dass der Tatsachenbericht gefällt ;) War schon lustig...damals.
      Freue mich sehr über Deinen Kommentar.
      Liebe Grüße an die FEE <3

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  3. Vielen Dank, Astrid, super Geschichte!!!

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