Das italienische Pony
Nach der Geburt meines zweiten Sohnes, war meine Figur
endgültig hinüber. Vermatscht, wie man so schön sagt. Völlig aus der Form.
Hinzu kam der ständige Schlafentzug, der mich so mitnahm, dass ich nur das
Nötigste an meinem Äußeren restaurierte. Genau zu diesem Zeitpunkt zog über uns
ein Bild von einem Mann ein.
„Hallo, ich bin Stefano Ramelotti, Sie kennen mich
sicher, ich habe die Pizzeria in der Stadt“, sagte er mit leichtem,
italienischen Akzent. Klar kannte ich
ihn. Alle kannten den bildhübschen Macho mit den braunen Locken, den dunklen
Augen und der sportlichen Figur. „Auf gute Nachbarschaft!“ Er überreichte mir eine
Flasche Rotwein (von seinem eigenen Weingut in der Toskana, wie ich später
erfuhr). Ich bedankte mich mit weichen Knien und ein leichter Schauer lief mir
über den Rücken. Sein erotisches Lächeln brachte mich völlig aus dem Konzept. Stopp…
ich war ja verheiratet und hatte gerade meinen Sohn geboren! Er verließ das Haus und kurz
danach hörte ich, wie er mit seinem Ferrari davonbrauste. Ja tatsächlich ein
Ferrari. Zu seinem Fuhrpark gehörten, außer dem springenden Pferd, noch zwei oder drei andere italienische
Luxuskarossen. Ich sah in den Dielenspiegel, betrachtete mein bespucktes
T-Shirt und bewunderte die sexy Jogginghose mit Spinatflecken. Meine Haare
hätten mal wieder eine Wäsche vertragen können und mein Teint ähnelte einem
verschrumpeltem Pfirsich. Jepp, das war‘s ja wohl mit erotischen Phantasien.
Warum wohnte so ein Typ in
einer Mietwohnung? Es musste einen Grund geben! Einige Wochen später hatte ich
das ultimative Aha-Erlebnis: Er schätzte die Anonymität und unsere Diskretion.
Dafür stand, einmal die Woche, eine Flasche Rotwein oder ein Panettone-Kuchen
vor der Tür.
Anfangs glaubte ich, er
führe Bewerbungsgespräche. In seiner Pizzeria bedienten ausnahmslos junge
Mädchen, die auch als Model eine Anstellung gefunden hätten. Wenn ich allerdings
im Hausflur stand, konnte ich von der oberen Etage rhythmisches Klopfen, sowie
lustvolles Gestöhne vernehmen. Fünf Damen pro Tag, mal mehr, mal weniger,
galoppierten die Treppe hinauf. Ich verfolgte die Herde mit wachsendem
Interesse, da ich so etwas nur aus der Promi-Presse kannte.
Mein Alltag war wieder
interessant! Windeln wechseln und Hausarbeiten wurden zur Nebensache. Der
italienische Hengst deckte jede Stute, die antrabte. Vorsichtshalber legte ich
Kühlkompressen in den Gefrierschrank, falls der Hengst mal eine Abkühlung
benötigte. Eines Tages klopfte es an der Wohnungstür und ich dachte, es wäre
soweit. Ich öffnete und vor mir stand, nur in Herzchen-Boxershorts bekleidet,
der göttliche Stefano. Verlegen trat er auf der Stelle und stammelte: „Hallo
Karin, ich wollte die Blumen im Hausflur gießen, da ist mir die Tür zugefallen.
Mein Bruder hat einen Schlüssel, kann ich kurz bei dir telefonieren?“ Blumen
gießen in Unterhosen! Pause für den Deckhengst, dachte ich. Leicht fröstelnd
stand der Macho kleinlaut vor mir. Da ich Mitleid hatte und sehr daran
interessiert war, ihn näher zu betrachten, bat ich ihn herein und gab ihm das
Telefon.
Während er sprach, nutzte ich
die Gelegenheit, in Ruhe seinen Körper zu studieren. Wie oft hatte ich mich
gefragt, was an ihm so toll war, dass jedes weibliche Wesen auf ihn abfuhr. Ich
sah einen durchtrainierten, muskulösen Körper, reichlich behaart, die
Vorderseite zierte ein Sixpack und weiter tiefer? Trotz Brille sah ich Nix, außer
gähnender Leere! Zumindest, was ich erahnen konnte. Ich musste mich zusammenreißen,
als Stefano das Telefonat beendete, sich ein Sofakissen schnappte und es vor
sein Nichts hielt. „Mein Bruder ist auf dem Weg“, stotterte er. Der große Macho
benahm sich wie ein kleiner Junge! „Kein Problem, möchtest du einen Eisbeutel,
eh, ich meine, etwas trinken?“ Da saß er nun, der italienische Hengst, der zum
Pony mutiert war. Klein, hilflos und fast nackt. Was für ein Anblick! Eine
halbe Stunde später kam der Bruder und Stefano floh regelrecht aus meinem
Blickfeld. Nach ein paar Wochen zog er aus. Eine der Stuten hatte eine tolle
Überraschung für Stefano: Ein Fohlen war unterwegs.
Zwölf Monate später: In
Begleitung einer Frau und einem Kinderwagen begegnete er mir in der Stadt. Fast
kahlköpfig, mit Bauchansatz und einem bespuckten Hemd! Ja, die Zeiten haben
sich geändert. Der Weg vom wilden Hengst zum braven Familienvater kann kürzer sein,
als man denkt. Mir blieb die Genugtuung, dass ein Kind alles verändert, sogar
das eigene Aussehen! Inzwischen schläft mein Sohn durch und ich habe mein
Äußeres in Form gebracht. Mein Mann findet mich sehr attraktiv. Und Stefano? Der
hat versucht mit mir zu flirten. Schade! Ungepflegte, italienische Ponys passen
nicht in mein Beuteschema. ©AZ
:D Nett, nett, die Wendung war super :D hat mir sehr gut gefallen!
AntwortenLöschenIch dachte zuerst ohje so ein langer Text aber ich konnt mich echt gut hineinversetzen xD Daumen hoch <3
Lg da Tina
Schön, dass du´s gut findest. Die Geschichte habe ich schon vor zwei Jahren geschrieben und gestern ist sie mir in die Hände gefallen. Einmal aufpoliert und fertig ist ein Mittwochsschmunzler. Danke für den Kommentar und LG zurück :)
Löschenloll* :D
AntwortenLöschensehr schön und unterhaltsam geschrieben
und ich konnte es so gut nachvollziehen (also nicht das Pony *lach* sondern dein Spinat-Shirt )
eine rundum gelungene Geschichte
Vielen Dank für dieses Schmankerl <3
Vielen Dank, dass der Tatsachenbericht gefällt ;) War schon lustig...damals.
LöschenFreue mich sehr über Deinen Kommentar.
Liebe Grüße an die FEE <3
Vielen Dank, Astrid, super Geschichte!!!
AntwortenLöschenBitte gerne, LG
AntwortenLöschenCool, schön geschrieben. ;)
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